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Aus: Ausgabe vom 15.08.2024, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Großbritannien

Labour ersetzt Antistreikgesetz

Die neue britische Regierung will die arbeiterfeindlichen Bestimmungen ihrer Vorgänger im Oktober neu regeln
Von Dieter Reinisch
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Die britische Linke hatte über Monate gegen das Antistreikgesetz protestiert

Innerhalb von 100 Tagen nach Regierungsantritt werde er die gewerkschaftsfeindliche Gesetzgebung der konservativen Tories zurücknehmen, hatte Labour-Chef Keir Starmer im Wahlkampf versprochen. Nun folgen Taten, zur Freude der Gewerkschaften. Das Antistreikgesetz, mit dem Arbeiter in mehreren Branchen zum Streikbruch gezwungen werden sollten, wird von der neuen britischen Regierung abgeschafft.

Vizepremierministerin Angela Rayner (Labour) sagte vergangene Woche gegenüber Sky News, die Aufhebung des »Streikgesetzes (Mindestdienstleistungsnormen)«, wie es formell heißt, sei »der erste Teil unseres Plans, die Arbeitsbeziehungen so umzugestalten, dass sie zu einer modernen Wirtschaft passen«. Das Gesetz werde aufgehoben, wenn die Regierung ihren Gesetzentwurf zu Rechten von Beschäftigten verabschiede.

Der parlamentarische Prozess dürfte im Oktober 2024 beginnen, heißt es aus dem Umkreis der Gewerkschaft Unison. Sie ist eine der größten Gewerkschaften des Landes und gehörte während der Massenstreiks der vergangenen Jahre zu den gemäßigteren Kräften. Neben der Rücknahme des Antistreikgesetzes werde ein Verbot zur Anstellung von Leiharbeitern als Streikbrecher im Gesetz verankert, kündigte Labour an. Im vergangenen August hatten Gerichte die Rekrutierung von Leiharbeitern als Streikbrecher nach einer Klage von Unison allerdings bereits untersagt.

Das Gesetz soll nach Aussage der Regierung zwar bis zur formellen Aufhebung in Kraft bleiben, Behörden sollten jedoch »alternative Mechanismen zur Streitbeilegung, einschließlich freiwilliger Vereinbarungen, suchen«, anstatt Mindestdienstleistungsniveaus aufzuerlegen. In anderen Worten: In den kommenden Monaten appelliert Labour an die Behörden, nicht vom Gesetz Gebrauch zu machen.

Auch andere direkt betroffene Gewerkschaften sind erfreut über das rasche und konsequente Handeln von Labour gegen einen der schärfsten Einschnitte im britischen Streikrecht. So erklärte etwa der Chef der Eisenbahnergewerkschaft RMT, Michael Lynch, in einer Aussendung, den Schritt zu begrüßen. Dieser werde als Gelegenheit bewertet, »die Arbeitsbeziehungen in Großbritannien neu zu gestalten und uns in eine Position zu begeben, in der wir gerechte Konfliktlösungen aushandeln können, statt Angriffe auf dämonisierte Gewerkschaften abzuwehren.«

Er erklärte das Vorhaben der Regierung mit dem Druck der Arbeitervertreter. Diese hatten über Monate auf der Straße und vor den Gerichten gegen das Gesetz der konservativen Regierung mobilisiert. Dadurch sei die nun regierende Labour Party gezwungen gewesen, gegen das Antistreikgesetz aktiv zu werden.

Neben dem öffentlichen Verkehr fielen die Bereiche Gesundheit, Atomenergie, Grenzkontrollen, Bildung und Feuerwehr unter das Gesetz. Die Feuerwehrgewerkschaft FBU forderte von Anbeginn einen Generalstreik, um das Antistreikgesetz zu Fall zu bringen. Ihr Generalsekretär Matthew Wrack erklärte in einer ersten Reaktion, Labours Vorstoß markiere »den Anfang vom Ende des autoritären Gesetzes«. Obwohl es noch nicht aus dem Gesetzbuch gestrichen sei, habe die Regierung allen Betrieben im öffentlichen Sektor klargemacht, dass sie ihre Beschäftigten während Arbeitskämpfen nicht zu Einsätzen heranziehen dürften. Die FBU will darauf aber nicht vertrauen und ist mit der Regierung in Verhandlungen über Vereinbarungen, aufgrund derer ihre Mitglieder nicht zum Streikbruch gezwungen werden können.

»Angela Rayners Ankündigung ist eine willkommene Übergangsmaßnahme«, zeigte sich Wrack erfreut. So enthusiastisch wie seine Kollegen bei Unison und RMT ist er jedoch nicht. Die Feuerwehrgewerkschaft freue sich, »dass die Regierung ihr Versprechen einlöst«, das könne aber nur ein Anfang sein: »Wir werden nicht ruhen, bis alle gewerkschaftsfeindlichen Gesetze abgeschafft sind.«

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